„Wir investieren in zukünftige Champions“

„Börse ganz nah“ informiert über Venture-Capital-Investments

Der deutschen Start-up-Szene mangelt es nicht an Talenten oder Ideen. Doch ohne Geld bleibt eine innovative Idee eben nur eine solche. Facebook, Google und Co. wären ohne Venture Capital – also: Wagniskapital beziehungsweise Risikokapital – nicht möglich gewesen. Wer die Sendung „Die Höhle der Löwen“ schaut, kennt das Prinzip. Finanzkräftige Investoren beteiligen sich an innovativen Unternehmen mit hohem Wachstumspotenzial. „Bei uns läuft es schon deutlich anders als im TV“, erklärt Christian Winter, CEO der Tengelmann Ventures Management GmbH (TEV), bei seinem Vortrag im Rahmen der Veranstaltung „Börse ganz nah“ des Bereichs Aktive Depotbetreuung der S PrivateBanking Dortmund GmbH.

Den circa 60 geladenen Kunden des Finanzinstituts erläuterte der Experte, auf welche Kriterien es einem der führenden Venture-Capital-Investoren in Deutschland ankommt, um ein junges Unternehmen mit Kapital auszustatten. „Unser Schwerpunkt liegt auf Early- und Later-Stage-Investments in den Bereichen Consumer Internet, digitale Services, Marktplätze und Technologie. In der Regel beteiligen wir uns als erster oder zweiter institutioneller Investor, wenn die Unternehmen erste frühe Erfolge vorweisen und weiteres Wachstumskapital benötigen“.

TEV gehört zu einer der ersten Adressen, wenn es um die Finanzierung von neuen internetbasierten Geschäftsmodellen und Technologien geht. Jedes Jahr begutachtet das zwölfköpfige Team zwischen 2.000 und 2.500 Beteiligungsmöglichkeiten. In nur vier bis acht dieser Start-ups investiert der Kapitalgeber. „Am Ende des Tages schaffen es von zehn Unternehmen nur ein bis zwei erfolgreich zu sein, das heißt mit 20 Prozent der Unternehmen verdienen wir Geld“, so Winter. Wie etwa bei Zalando, Delivery Hero, westwing, Klarna, Uber oder zuletzt auch Wish – alles prominente Beteiligungen des Mülheimer Investors. Zalando war die zweite Beteiligung der 2009 gegründeten Tengelmann Ventures. Die Gesellschaft investierte in mehreren Finanzierungsrunden insgesamt rund 35 Millionen Euro in den Onlinehändler. „Normalerweise investieren wir im Rahmen der ersten Runde zwischen drei und acht Millionen Euro in ein Unternehmen und versuchen unsere Anteile auch bei Folgefinanzierungen immer konstant zu halten, das heißt wir unterstützen sich gut entwickelnde Unternehmen kontinuierlich weiter“, berichtet Winter. Auch Zalando wuchs sehr rasant, nach dem Börsengang 2014 hielt Tengelmann Ventures noch 5,6 Prozent der Anteile, die bis heute schrittweise auf unter drei Prozent reduziert wurden. „Wir haben Zalando sehr früh und lange als aktiver Partner und Investor begleitet und sehen das zukünftige Potenzial sehr positiv. Jedoch wollten wir auch Liquidität für neue Investitionen generieren“, so Winter.

Auch bei Delivery Hero investierte TEV sehr früh. „Delivery Hero war ein sogenanntes Seed Investment von uns: Wir haben dem Unternehmen zwei Wochen nach Gründung die ersten 250.000 Euro zur Verfügung gestellt. Insgesamt haben wir elf Millionen Euro investiert.“ Nach erfolgreichem Börsengang Ende Juni 2017 erlöste Tengelmann Ventures mit dem Verkauf der Delivery Hero-Aktien rund 142 Millionen Euro. „Diese hohen Erlöse sind natürlich phantastisch, wir haben aber im gleichen Zeitraum auch über 50 Millionen Euro mit Unternehmen verloren, deren Geschäftsmodell nicht funktionierte. Daher muss man Erfolg immer auf ein ganzes Portfolio betrachten. Die wenigen erfolgreichen Unternehmen müssen diese Verluste mit ausgleichen und für die Gesamtrendite sorgen.“

Generell schaut Tengelmann Ventures nach Geschäftsideen, die wirklich helfen, ein Problem zu lösen, von dem eine breite Zielgruppe von Verbrauchern oder Unternehmen betroffen sind. Sie müssen sich zudem internationalisieren lassen. Auf ein Land beschränkte Geschäftsmodelle oder Produkte werden normalerweise nicht finanziert, es sei denn, dass das Potenzial in diesem einen Markt ungewöhnlich hoch ist. „Ihr Modell auch auf andere Länder übertragbar zu machen vergessen viele Gründer – manche trauen sich auch nicht, einen Schritt weiter zu denken. Das Besondere an Europa ist unter anderem unser Binnenmarkt – den gibt es so in Südostasien oder Lateinamerika nicht“, sagt Winter.

Der Kapitalgeber versteht sich als Sparrings-Partner der Gründer. Dabei schaut er weniger auf die Bewertung des Unternehmens, denn das ist für ihn kein zentrales Entscheidungskriterium für das Investment. „Die ausschlaggebende Voraussetzung für eine Beteiligung ist das Potential und der Erfolgshunger des Start-ups und seines Teams. Gründer müssen die Fähigkeit haben, ihr Geschäftsmodell auch anzupassen und permanent neu zu denken“, erläutert Winter. TEV unterstützt die Unternehmen mit einem großen und verlässlichen Netzwerk, um einen starken Mehrwert zu generieren. Hierzu zählen Kontakte zu Dienstleistern, Hochschulen und weiteren Finanzierungspartnern. Darüber hinaus hilft Tengelmann Ventures den Unternehmen im Bereich Finanzen, Controlling und Personal. Hier stehen den Gründern die Experten von Tengelmann Ventures zur Verfügung. „Wir betreuen ein Unternehmen in der Regel immer mit drei bis vier Personen. Neben einem Investmentmanager haben wir jedem Startup-up einen Kollegen aus dem Controlling und einen Juristen zugeordnet, die sich mit den Gründern zu Finanz- und Rechtsthemen regelmäßig austauschen. Künftig werden wir unser Team noch um eine Personalkomponente erweitern, da hier bei vielen Start-ups großer Bedarf an professioneller Unterstützung besteht“, erklärt Winter.

„Wir wollen das Potential eines Start-Ups so früh wie möglich erkennen. Unsere Vorgehensweise ist dabei sehr zahlengetrieben und analytisch. Der interne Umgang mit Verlusten und mit gescheiterten Unternehmen war anfangs schwer. Unabdingbar ist allerdings die Fähigkeit, als Risikokapitalgeber zu entscheiden, wann man sich von einem Geschäft abwendet. Die goldene Regel lautete hier: man wirft dem schlechten Geld kein gutes hinterher. Die meisten Start-ups scheitern an der ersten Anschlussfinanzierung und in der Regel immer dann, wenn es Wachstumsprobleme gibt“, berichtet der Finanzexperte.

Dank einer sehr strukturierten Investmentstrategie gehört TEV bundesweit zu den wenigen Venture Capital Gesellschaften, die mehr als fünf mit mehr als einer Milliarde Euro bewerteten Unternehmen im Portfolio hat. Dennoch: Europas Wachstumsmotor Deutschland ist in Sachen Wagniskapital weiterhin ein Entwicklungsland. Zum Vergleich: 2017 wurden in den USA 84,2 Milliarden US-Dollar im Venture Capital Segment investiert. Dort gibt es etwa 320 Risikokapitalgeber, die aktuell ein Volumen von ca. 500 Milliarden US-Dollar betreuen. In Deutschland wurden im gleichen Zeitraum lediglich 1,1 Milliarden Euro in 800 Finanzierungsrunden investiert – und das war ein Rekord. In den USA waren es hingegen 8.000 Finanzierungsrunden. Wenn man das am Bruttosozialprodukt misst, entspricht das in den USA 0,4 Prozent. In Deutschland lediglich 0,03 Prozent.

„Man muss allerdings auch anmerken, dass wir in Europa relativ begrenzte Mittel haben. Sehr gut laufende Unternehmen brauchen in der Regel auch sehr viel Geld um ihr Potential zu realisieren. Die Fonds-Größen europäischer Venture Capital Gesellschaften sind jedoch deutlich kleiner als amerikanische Fonds. Darüber hinaus darf ein VC nur bestimmte Maximalbeträge in ein Unternehmen investieren, damit das Risiko kalkulierbarer ist. In sehr großen Finanzierungsrunden ist daher in der Regel immer mindestens ein angelsächsischer Investor mit dabei, da diese die hohen Summen bereitstellen können“, betont Winter.

Zum Abschluss hatte der Experte noch einige Tipps für Gründer im Gepäck: So sollten sie sich stark auf die Weiterentwicklung und Perfektionierung ihres Produktes fokussieren. Entscheidend sei laut Winter auch ein hohes technisches Know-how sowie die Qualität der Mitarbeiter und Gründer. In der Regel schätzen letztere ihren Kapitalbedarf zu niedrig ein, was oftmals dazu führt, dass sehr schnell weiteres Kapital aufgenommen werden muss. Daher rät er ihnen von vornherein den Business-Plan an realistischen Kostenstrukturen und ambitionierten Zielen auszurichten.

Foto oben: Bei der Veranstaltung „Börse ganz nah“ der S PrivateBanking Dortmund GmbH stand das Thema Venture-Capital-Investments im Mittelpunkt. Es trafen sich (v.l.n.r.): Dominik Sodenkamp und Dr. Axel Büscher, Berater für den Bereich Aktive Depotbetreuung bei der S PrivateBanking Dortmund GmbH, Referent Christian Winter, CEO der Tengelmann Ventures Management GmbH, S PrivateBanking-Geschäftsführerin Tanja Frommert sowie Sparkassen-Vorstand Peter Orth. ©Foto: Jan Heinze